Mehr Frauen in Führung – und dann?
Vom Ankommen und Gestalten in männerdominierten Strukturen
Du hast es geschafft. Bist sichtbar geworden. Hast dich durchgesetzt. Und jetzt?
Jetzt beginnt eine neue Phase – die oft unterschätzt wird. Eine Phase, in der du merkst: Der Titel allein verändert noch nichts. Und manchmal fühlst du dich einsamer als zuvor.
Eine Geschichte, die unter die Haut geht
Vor ein paar Wochen saß mir eine Frau gegenüber, die mich tief berührte. Mitte fünfzig, seit Jahren eine respektierte Führungskraft in der Verwaltung. Fachlich brillant, mit klarer Haltung – eine Frau, die ich sofort bewundert hätte. Sie war gerade in eine neue Funktion gewechselt: mehr Verantwortung, ein größeres Team, direkter Draht zur Hausspitze.
Aber ihre Worte ließen mich aufhorchen: „Ich weiß eigentlich, wie Führung geht. Hatte bislang nie große Schwierigkeiten. Aber in dieser neuen Rolle... ich stelle plötzlich alles infrage. Ich bin nicht unsicher – aber ich merke, dass ich nicht mehr zu meinem Team durchdringe."
Während sie sprach, sah ich ihre Verwirrung, ihre Enttäuschung. Sie kommunizierte auf Augenhöhe, suchte Konsens, erklärte geduldig – während ihre männlichen Kollegen klare Ansagen machten, Forderungen stellten, sich im Raum breit machten.
Ihr Stil war geprägt von dem, was sie stark machte: Kooperation, echte Verbindung, gemeinsame Lösungssuche. Aber das neue Spielfeld funktionierte nach anderen Regeln – mit Ranglogik und Hierarchiedenken.
Das Auseinanderklaffen zwischen dem, wer sie war, und dem, was erwartet wurde, ließ sie zweifeln: „Führe ich eigentlich richtig?"
Sichtbar zu sein ist erst der Anfang – und das tut manchmal weh
Vielleicht kennst du dieses Gefühl. Du hast gekämpft, dich gezeigt, Position bezogen. Bist endlich angekommen, wo du hinwolltest. Und dann merkst du: Der Titel macht dich noch nicht mächtig. Die Stimme, die du so lange gesucht hast, verhallt manchmal ungehört.
Es ist ein seltsames Gefühl, oder? Du dachtest, das Schwierigste wäre überstanden. Aber jetzt spürst du: Führung heißt nicht nur, da zu sein – sondern auch gehört, verstanden, ernst genommen zu werden. Und das ist in Strukturen, die Jahrzehnte lang anders funktioniert haben, oft schmerzhaft schwer.
Du passt nicht ins System – und das ist deine Stärke
In vielen Organisationen herrschen noch immer diese unsichtbaren Gesetze. Sie bestimmen, wie gesprochen wird, wie Konflikte ausgetragen werden, wer wie entscheiden darf. Und vor allem: wer wie führen darf.
Du merkst es wahrscheinlich jeden Tag. Dein Stil eckt an. Du kommunizierst anders, setzt andere Prioritäten, stellst unbequeme Fragen. Und genau dann passiert oft das Verhängnisvolle: Du fängst an, dich zurückzunehmen. Dich „anzupassen", um nicht als schwierig oder „zu emotional" zu gelten.
Aber weißt du was? Damit verrätst du genau das, was du mitgebracht hast: frische Perspektiven, andere Erfahrungen, einen Führungsstil, der nicht dem altbekannten Muster entspricht – aber genauso kraftvoll sein kann. Manchmal sogar kraftvoller.
Du musst nicht alleine stark sein
Diese zweite Phase – nach dem Ankommen – ist brutal. Und sie ist entscheidend. Deshalb sage ich dir das, was ich mir selbst oft hätte sagen sollen: Du musst das nicht alleine schaffen.
Such dir Verbündete. Frauen, die verstehen, was du durchmachst. Netzwerke, in denen du nicht erklären musst, warum du anders führst – sondern wo das geschätzt wird. Räume, in denen du Kraft tankst statt sie zu verlieren.
Und vor allem: Vertraue deinem Weg. Du musst nicht lauter werden, als du bist. Nicht härter, als es dir entspricht. Es reicht, wenn du klar bist in dem, was du mitbringst.
Was sich jetzt ändern muss
Vielleicht arbeitest du in einer Organisation, die Vielfalt offiziell fördert – und trotzdem fühlst du dich jeden Tag wie eine Fremde in vertrauter Umgebung. Dann braucht es mehr als gut gemeinte Programme:
Strukturen, die unterschiedliche Führungsstile nicht nur tolerieren, sondern feiern. Feedbacksysteme, die nicht automatisch das „Alpha-Muster" belohnen. Teams, in denen Macht wirklich geteilt wird – nicht nur in schönen Worten.
Das ist unbequem. Das verlangt von allen Beteiligten Mut zur Veränderung. Aber es ist der einzige Weg, wenn Vielfalt mehr sein soll als eine Zahl im Geschäftsbericht.
Was du für dich tun kannst
Bleib nicht allein mit deinen Zweifeln. Such dir Räume zum Austauschen, zum ehrlichen Fragen stellen, zum Kraft schöpfen.
Vertraue deinem Stil. Er ist kein Defizit, das korrigiert werden muss – er ist ein Geschenk an die Welt.
Gestalte weiter. Auch wenn es mühsam ist. Auch wenn du manchmal denkst, dass sich nichts ändert. Du bewegst mehr, als du ahnst.
Ein Mut machender Schluss
Mehr Frauen in Führung – das war der erste Schritt. Aber der entscheidende liegt vor uns: Wie wir führen. Und ob wir den Mut haben, Führung neu zu denken. Nicht angepasst und kleingemacht, sondern bewusst anders.
Wenn du deinen Platz erobert hast – dann bleib nicht stehen. Gestalte weiter. Und vergiss dabei nie: Du bist richtig, so wie du bist. Die Welt braucht deine Art zu führen.
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