Widerspruch. Wirkt Wunder.

Warum dich Harmonie ausbremst

Kennst du das?
Du sitzt in einer Besprechung, hast längst ein klares Argument im Kopf – und entscheidest dich doch, nichts zu sagen. Nicht, weil dir die Sache egal wäre, sondern weil du in Sekunden abwägst: „Ist es das jetzt wert? Verkompliziere ich die Stimmung? Kläre ich es besser später?“

Dieses Abwägen ist nachvollziehbar. Aber genau hier liegt die Falle: Jedes unausgesprochene Argument gibt Gestaltungsmacht ab. Entscheidungen laufen weiter – ohne deine Handschrift.

Die Harmonie-Falle – subtil, aber wirksam

Es sind selten die großen Konflikte, die Karrieren ausbremsen. Viel häufiger sind es die kleinen Situationen, in denen du den Widerspruch zurückhältst:

  • „Ist jetzt auch egal.“ – aber kleine Denkfehler summieren sich.

  • „Hier ist das zu heikel.“ – doch oft sind genau diese Momente die entscheidenden.

  • „Alle anderen sind schon dafür.“ – Schweigen wirkt wie Zustimmung.

  • „Das kläre ich später.“ – nur: später wird meist nicht mehr entschieden, sondern umgesetzt.

Jede einzelne Entscheidung zu schweigen ist nachvollziehbar. Doch in Summe entsteht ein Muster: Deine Wirkung bleibt kleiner, als sie sein könnte.

Warum gerade Frauen in die Harmonie-Falle tappen

Das hat weniger mit Persönlichkeit zu tun, sondern mit Prägungen und Strukturen.

  • Unsere Sozialisation: Viele von uns haben früh gelernt, nett zu sein statt unbequem. Kooperation wird belohnt, Konfrontation eher sanktioniert.

  • Die Strukturen: In männlich geprägten Organisationen gilt frühes, klares Positionieren als Stärke. Zögern wird nicht als reflektiert, sondern als wenig durchsetzungsstark gedeutet.

Das führt dazu, dass Verhalten, das im Alltag angenehm und diplomatisch wirkt, in hierarchischen Kontexten schnell als Schwäche gelesen wird.

Ein Blick aus meiner Praxis

Aus meiner Zeit als junge Landtagsabgeordnete kenne ich diese Dynamik sehr gut. Anfangs habe ich viel zugehört, Argumente gesammelt, Kompromisse gesucht – überzeugt davon, dass das der klügste Weg zu tragfähigen Entscheidungen sei. Fachlich war das richtig. Machtlogisch jedoch nicht.

Erst als ich begann, früher einzusteigen, Widerspruch klar zu formulieren und meine Position sichtbar zu machen – ohne Diplomatie und Augenmaß aufzugeben – änderte sich die Wahrnehmung: Plötzlich wurde ich als strategisch denkend und entscheidungsfreudig gesehen.

Warum produktiver Widerspruch ein Female-Empowerment-Tool ist

Widerspruch ist nicht nur eine rhetorische Technik. Er ist ein strategisches Instrument, um Wirkung zu erzielen, dich sichtbar zu machen und Strukturen zu verändern:

  • Gestaltungsmacht zeigen: Wer widerspricht, signalisiert: „Ich will Einfluss nehmen – nicht nur mitlaufen.“

  • Rollenbilder verschieben: Frauen, die klar widersprechen, weiten das Bild, wie weibliche Führung aussehen kann.

  • Unsichtbare Entmachtung verhindern: Schweigen wird interpretiert. Widerspruch macht deine Haltung unmissverständlich.

Vier Strategien für produktiven Widerspruch

  1. Früh den Ton setzen
    Positioniere dich, bevor die Meinungsbildung abgeschlossen ist. Wer früh spricht, prägt den Rahmen.

  2. „Und“ statt „Aber“
    Die „Und“-Technik verbindet Wertschätzung mit Klarheit:
    „Ich sehe den Vorteil dieser Idee, und ich sehe Risiken bei…“

  3. Ziele transparent machen
    Mach deutlich, dass dein Widerspruch der Sache dient – nicht der Abwertung von Personen.

  4. Über Fragen arbeiten
    Fragen platzieren Einwände elegant:
    „Welche Erfahrungen haben wir in ähnlichen Projekten gemacht?“

Wenn Gegenwind kommt

Frauen erleben in männlich geprägten Strukturen für Klarheit oft schärfere Reaktionen. Kommentare wie „Heute bist du aber kämpferisch“ kennst du vielleicht. Mein Tipp: Nimm das nicht als Abwertung, sondern als Beweis, dass du gehört wirst.

Eine gelassene Antwort wie:
„Mir geht es darum, die beste Entscheidung zu treffen – deshalb bringe ich diesen Punkt ein.“ führt sofort zurück auf die Sachebene – und signalisiert Souveränität.

Empowerment heißt: Wirksam sein, nicht nett bleiben

Es geht nicht darum, Harmonie grundsätzlich zu verwerfen. Empathie, Diplomatie und Beziehungsfähigkeit sind wichtige Führungsqualitäten. Aber: Wenn Harmonie wichtiger wird als Wirksamkeit, verlierst du Gestaltungsspielräume.

Frauen, die produktiv widersprechen, erhöhen ihre Sichtbarkeit, erweitern ihre Handlungsspielräume – und gestalten Entscheidungen aktiv mit. Das ist nicht nur persönlicher Gewinn, sondern verändert auch Strukturen.

Dein 24-Stunden-Experiment

Probier es aus: Wähle in den nächsten 24 Stunden eine Situation, in der du normalerweise schweigen oder zustimmen würdest – und formuliere stattdessen einen klaren, sachlichen Widerspruch. Beobachte:

  • Wie verändert sich die Diskussion?

  • Wie reagieren andere auf dich?

  • Was verändert sich in deinem eigenen Gefühl?

👉 Wenn du deine Fähigkeit zum produktiven Widerspruch vertiefen und deine Wirksamkeit in männlich geprägten Strukturen gezielt ausbauen willst: In meinen Coachings entwickeln wir Strategien, die zu dir und deinem Führungsalltag passen – klar, praxisnah und wirksam. Melde dich gerne für ein kostenfreies und unverbindliches Gespräch.

Sarah Sorge

Sarah Sorge war viele Jahre Politikerin auf kommunaler und Landesebene, u.a. Landtagsabgeordnete im Hessischen Landtag und Stadtverordnete und Dezernentin in Frankfurt am Main. Schon aus dieser Zeit bringt sie Erfahrungen, Tipps und Anekdoten zu Machtspielchen, Sichtbarkeit und Haltung für Frauen in Politik und Führung mit. Von 2019 bis 2023 war sie Geschäftsführerin der Akademie Mixed Leadership. Hier hat sie an der Schnittstelle zwischen Weiterbildung und Forschung gearbeitet. Der Fokus diese Akademie der Frankfurt University of Applied Sciences liegt auf nötigen Strukturveränderungen für Führung & Diversität, für Frauen in Führung und auf ‚Female Empowerment‘.

Nebenberuflich arbeitete Sarah Sorge bereits seit 2016 als Coach für Frauen in Führung mit dem Schwerpunkt Politik und Verwaltung und als Trainerin für das Thema ‘Female Empowerment’. Seit 2024 konzentriert sie sich als Freiberuflerin mit voller Kraft auf diese Themen.

http://www.sorge-coaching.de
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