Servicefalle: Wenn Helfen zur Karrierebremse wird

Wie unbewusste Service-Aufgaben deine Wirkung im Job schmälern – und was du stattdessen tun kannst.

Vor ein paar Wochen war ich unterwegs zu einem Vortrag über Selbstfürsorge, den ich bei den Landfrauen Baden-Württemberg halten sollte. Der Inhalt: Wie Frauen lernen, Nein zu sagen – und warum sie so oft in die Servicefalle tappen.

Mitten in der Vorbereitung kam eine Nachricht aufs Handy. Die Tochter einer Freundin fragte, ob ich ihre Masterarbeit gegenlesen könnte.

Und was habe ich geantwortet?

Na klar, mach’ ich gern.

In dem Moment fühlte sich das völlig logisch an. Ich war ja noch im Zug, hatte gerade keine anderen Verpflichtungen. Aber kaum hatte ich auf „Senden“ gedrückt, wurde mir klar, wie widersprüchlich mein Verhalten gerade war: Ich war auf dem Weg zu einem Vortrag darüber, wie wichtig es ist, sich nicht reflexartig um alles zu kümmern – und tat genau das.

Warum ich dir das erzähle?

Weil genau darin die Servicefalle liegt: Wir helfen – oft ohne nachzudenken. Weil wir es gewohnt sind. Und weil es oft Kleinigkeiten sind. Schnell erledigt. Macht ja nichts. Oder?

Doch. Denn auf Dauer hat genau dieses Muster Konsequenzen.

Ich war mal Geschenke-Beauftragte - und stolz war ich auch noch drauf.

In meiner Zeit in der Landtagsfraktion war ich über Jahre zuständig für Geburtstags- und Abschiedsgeschenke. Ich habe Karten organisiert, Listen geführt, kontrolliert, ob alle unterschrieben haben, Kolleg*innen erinnert und hinterhertelefoniert, wenn jemand es vergessen hatte. Ich habe passende Präsente ausgesucht, besorgt, liebevoll verpackt und persönlich übergeben. Es war mir wichtig – ich wollte, dass es schön ist. Und ich habe mich gefreut, wenn Kolleginnen das schätzten.

Erst später habe ich verstanden, was ich in dieser Zeit alles nicht getan habe.

Während ich mich um ein originelles Geschenk, die Karte und Geschenkpapier kümmerte, führten andere Gespräche mit Journalist*innen. Sie positionierten ihre Themen strategisch nach außen, während ich eher für das harmonische Miteinander nach innen zuständig war.

Klar: Ich war auch inhaltlich präsent. Meine politische Arbeit war sichtbar. Aber das Muster war trotzdem da – und es hat Ressourcen gebunden. Zeit. Energie. Aufmerksamkeit. Und genau darum geht es.

Die Logik der Servicefalle

Die Servicefalle zeigt sich in vielen Varianten: Protokolle schreiben, Kaffee einschenken, die Spülmaschine ausräumen, „mal eben“ die Räume dekorieren oder Geschenke organisieren.

Kleine Tätigkeiten, die scheinbar kaum ins Gewicht fallen – und doch eine klare Wirkung haben:

  • Sie binden Kapazität. Wer Protokoll schreibt, hört nicht mehr mit dem strategischen Ohr zu. Statt sich zu fragen: “Was bedeutet das für mich?” ist man damit beschäftigt, die wichtigen Punkte der anderen mitzuschreiben.

  • Sie formen ein Bild. Wer regelmäßig Service leistet, wird – subtil, aber wirksam – in dieser Rolle gesehen. Nicht als Entscheiderin, sondern als Assistentin.

  • Sie verstetigen sich. Was du einmal zuverlässig machst, landet schnell wieder bei dir: „Deine Protokolle sind immer so schön klar…“

Und das Perfide daran: Die kleine Anerkennung fühlt sich gut an. „Wir brauchen dich“, sagen sie. Und du denkst: „Mein Beitrag ist wichtig, ich werde hier gebraucht.“ Ein schönes Gefühl – aber auch ein trügerisches.

Mental Load - auch im Job

Das Konzept „Mental Load“ ist vielen aus der Familienarbeit bekannt – die unsichtbare To-do-Liste im Kopf: die Wäsche, die U-Untersuchungen der Kinder, Geschenke für Kindergeburtstage. Oft getragen von Frauen.

Aber Mental Load endet nicht im Privaten. Auch bei Mental Load greift der Spruch: “Das Private ist politisch.” In dem Fall beruflich, denn Mental Lord gibt’s auch im Job.

Auch im Büro und Ehrenamt übernehmen viele Frauen die Rolle, „den Laden am Laufen zu halten“. Sie sehen die Lücken – und füllen sie. Ohne dass jemand fragt.

Das Problem ist nicht die einzelne Aufgabe. Das Problem ist das Muster. Denn wer immer für andere mitdenkt, verliert den Blick für das, was strategisch zählt.

Service ist nicht immer schlecht

Denn Service kann auch eine Strategie sein. Entscheidend ist: Wer entscheidet.

  • Protokoll schreiben? Meist raubt es dir Energie und Einfluss. Aber bei Koalitionsverhandlungen beispielsweise ist es ein Machtinstrument. Hier gilt: Wer schreibt, bestimmt mit, was bleibt.

  • Kaffee einschenken? Oft ein Signal: „Ich mache den Service.“ Wenn du es interner Rolle als Gastgeberin, Behördenleiterin, Vereinsvorsitzende ganz bewusst tust, dann steuerst du damit den Rahmen. Du entscheidest, wer etwas bekommt.

  • Dekoration organisieren? Wenn du es gern machst – und bewusst einsetzt, um dein Team sichtbar zu machen – dann ist es ein Statement. Wenn du es tust, weil sonst niemand springt, schadest du dir.

Service aus Automatismus schwächt dich. Service aus Entscheidung stärkt dich.

Aushalten können: Der erste Schritt zur Veränderung

In meinen Coachings geht es oft genau darum: innehalten, bevor du „springst“.

Viele Frauen erzählen mir, wie schwer es ihnen fällt, die Stille auszuhalten. Wenn niemand das Protokoll übernehmen will. Wenn Gäste vor leeren Tassen sitzen.

Doch genau da entsteht Spielraum.

Wenn du nicht sofort einspringst, entsteht Raum für Veränderung. Vielleicht meldet sich ein Kollege. Vielleicht wird Verantwortung anders verteilt. Vielleicht bleibst du einfach sichtbar – weil du dich nicht in die Service-Ecke stellst.

Drei Fragen, die du dir stellen kannst

  • Muss ich das wirklich übernehmen – oder macht es nur niemand anders?

  • Habe ich diese Aufgabe schon mehrfach gemacht – und ist jetzt jemand anderes dran?

  • Will ich sie vielleicht bewusst übernehmen – weil es mir strategisch nutzt?

Falle oder Strategie – du entscheidest.

Es geht nicht darum, nie wieder zu helfen. Es geht darum, klar zu sehen.

Wenn du reflexartig springst, weil dir die Stille unangenehm ist: Falle.

Wenn du bewusst entscheidest, weil es dir in diesem Moment nutzt: Strategie.

Die Frage ist nicht: „Wirst du gebraucht?“
Die Frage ist: „Was bringt dich weiter?“

Denn niemand erinnert sich an die Frau, die immer Kaffee eingeschenkt hat. Aber jede erinnert sich an die, die im richtigen Moment die Stimme erhoben – und Wirkung erzielt hat.

Du willst raus aus der Servicefalle?

Wenn du dich in diesem Muster wiedererkennst – und da raus willst: Genau dazu gebe ich Keynotes, Impulsvorträge und Trainings. Für Führungskräfte, Teams oder Netzwerke, die Strukturen verändern wollen – und nicht nur Verhalten. Melde dich einfach, wenn du mehr erfahren willst.

Sarah Sorge

Sarah Sorge war viele Jahre Politikerin auf kommunaler und Landesebene, u.a. Landtagsabgeordnete im Hessischen Landtag und Stadtverordnete und Dezernentin in Frankfurt am Main. Schon aus dieser Zeit bringt sie Erfahrungen, Tipps und Anekdoten zu Machtspielchen, Sichtbarkeit und Haltung für Frauen in Politik und Führung mit. Von 2019 bis 2023 war sie Geschäftsführerin der Akademie Mixed Leadership. Hier hat sie an der Schnittstelle zwischen Weiterbildung und Forschung gearbeitet. Der Fokus diese Akademie der Frankfurt University of Applied Sciences liegt auf nötigen Strukturveränderungen für Führung & Diversität, für Frauen in Führung und auf ‚Female Empowerment‘.

Nebenberuflich arbeitete Sarah Sorge bereits seit 2016 als Coach für Frauen in Führung mit dem Schwerpunkt Politik und Verwaltung und als Trainerin für das Thema ‘Female Empowerment’. Seit 2024 konzentriert sie sich als Freiberuflerin mit voller Kraft auf diese Themen.

http://www.sorge-coaching.de
Zurück
Zurück

Wenn dein Bauchgefühl recht hat – und du trotzdem leiser wirst

Weiter
Weiter

Warum „Arroganz-Training“ hängen bleibt – und trotzdem hakt